Dienstag, 31. Januar 2012

Hermann

Es war Liebe auf den ersten Blick, oder besser gesagt auf den ersten Lärm.
Bei meinen letzten Besuchen in Berlin hörte ich ihn nur. Morgens gegen sechs Uhr wahlweise hüpfend, schreiend oder einen Gegenstand über das Parkett werfend, ziehend, rollend oder schmeißend.
Sein Revier, inklusive Fuhrpark, befindet sich direkt über dem Gästezimmer, welches ich seit Sonntag in Beschlag genommen habe. Zur Zeit klopft der Zweijährige bevorzugt gern gegen Heizungsrohre. Jedoch auf gar keinen Fall nach acht Uhr morgens!

Als wir uns gestern im Treppenhaus begegneten, trafen sich unsere Blicke und ich wusste sofort, dass es sich bei dem kleinen blonden Jungen mit Pudelmütze  um meinen morgendlichen Weckdienst in Persona handelte.
„Schau mal Hermann, Vela und Thomas haben Besuch!“ hörte ich seine russische Mutter sagen. 
Hermann musterte mich, kniff die Augen zusammen und vergrub sein Gesicht zwischen den Brüsten seiner Mutter.
Er hatte einen Brummkreisel im Arm und so war ich stillschweigend informiert, wie die Weckzeremonie für den nächsten Morgen gestaltet werden könnte, während ich immer noch darüber nachdachte, dass diese Eltern ihr Kind tatsächlich Hermann genannt hatten.

Ich behielt in jedem Fall Recht. Heute Morgen ab halb sieben zählte ich mit. Hermann brachte es nach ausgiebiger Übung auf fast zweiundzwanzig Sekunden,in denen er den Brummkreisel in Schwung hielt, bevor dieser wieder tock tock tock tock tock , auf dem Parkett zum Erliegen kam. Auf ein Neues Hermann! Du schaffst die halbe Minute!

Der aufmerksame ehemalige Abschnittsbevollmächtigte Herr Braun aus dem Erdgeschoss freut sich im Übrigen sehr über den Stammhalter Hermann aus dem vierten Stock. „Wenigstens ist das mal ein guter deutscher Name!“
Hermanns Spielkumpels heißen nebenbei bemerkt Julius und Arthus.
Sollte ich jemals Kinder bekommen, so nenne ich sie Krawall und Remmidemmi, da weiß man wenigstens gleich, was Phase ist. Gehabt euch wohl, eure Koschka!

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